Wie lerne ich Empathie?
Meine Mutter hatte 12cm hohe fancy Stöckelschuhe. Voller Wonne stellte ich meine 4-jährigen Füsschen jeweils in diese Schuhe und „schlarpte" damit durch die Wohnung, mir vorstellend, dass ich eines Tages ein glamouröses Leben à la Prinzessin Diana führen würde (ohne den komischen Prinzen an ihrer Seite - soviel Feminismus hatte ich schon intus. Und das mit dem glamourös…..).
Die romantische Vorstellung war endgültig dahin, als ich bald darauf in meiner Erziehung den Ausdruck "Stell dich in die Schuhe deines Gegenübers“ hörte. Tschüss Lady Di, hallo Empathie ohne High Heels.
Als 4-jährige hatte ich bereits intuitiv verstanden, dass 12cm hohe Hacken nach einer Weile schmerzen, Compeed Pad hin oder her. Jetzt brachten mir meine Eltern bei, was es heisst, empathisch zu sein, indem ich mich in andere Personen hinein versetzte. Dafür bin ich ihnen ewig dankbar.
Was ist Empathie
«Die härteste und wichtigste Währung von allen», sagt Jesper Juul, der berühmte dänische Familientherapeut über Empathie.
Empathie ist die Fähigkeit, die Gedanken, Gefühle, Wertvorstellungen und Absichten von anderen Menschen zu erkennen und zu verstehen. Sie bedingt eine Haltung, die grundsätzlich davon ausgeht, dass das Gegenüber genau so Recht hat, wie man selbst.
Eine empathische Grundhaltung ist die Voraussetzung für eine gelungene Kommunikation, für Teamwork und Konfliktlösung. Gleichzeitig ist Empathie auch der Schlüssel dafür, dass wir Mitgefühl und Verständnis für Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und mit anderem sozialem oder kulturellem Hintergrund haben.
Und Empathie gilt als eine der sechs Zukunftskompetenzen. Zu diesem Schluss kam die NZZ am Sonntag vor 2 Jahren, als sie mit dem Thema auseinander setzte, was die Schulen in einer digitalisierten Welt unterrichten sollten. In einer Welt, in der uns intelligente Maschinen die Arbeit abnehmen, treten andere Kompetenzen in den Vordergrund. Neben Empathie werden auch Kreativität, Selbstachtsamkeit, Vernetztes Denken, Natur & Klima sowie natürlich Digitales Leben genannt. Den Artikel findest du hier.
Wie werde ich empathisch
Man ist es oder ist es nicht? Falsch. Empathie können wir jederzeit erlernen resp. dazulernen. Dazu braucht es meiner Erfahrung nach die folgenden drei Komponenten: Selbstkenntnis, Wille und Fähigkeit.
Selbstkenntnis: Grundlage der Empathie ist die Selbstkenntnis. Je besser ich mich selbst kenne, meine Gefühle, Gedanken, meine Motive, Haltungen und meine Handlungen erkennen und verstehen kann, desto einfach kann ich dasselbe bei einer anderen Person erkennen und verstehen.
Fehlt mir die Selbstkenntnis und damit die Selbsterfahrung, dann besteht die Gefahr, dass ich mich nicht wirklich in die andere Person hineinversetzen kann.
Wille: Die Basis zur Empathie ist der Wille, jemanden wirklich verstehen zu wollen. Dies bedeutet, dass ich offen und neugierig auf die Welt der andern Person bin und dass ich dazulernen möchte.
Fehlt mir der Wille zur Empathie, dann ist mir die Welt des Gegenübers schlussendlich gleichgültig und ich versuche erst gar nicht, mich in die Schuhe des Anderen zu stellen.
Fähigkeit: Oft sehen wir ein gewissen Verhalten bei jemandem und treffen dann Annahmen, ohne genau zu verstehen, was wirklich dahinter steckt. Diese Annahmen können richtig aber auch falsch sein und darum sind Empathie-Skills wie z.b. Fragetechniken und Zuhörkompetenz wertvolle Fähigkeiten, um mich in die Schuhe des anderen zu versetzen.
Fehlt mir die Fähigkeit, Fragen zu stellen, wirklich zuzuhören und mich dadurch in mein Gegenüber zu versetzen, dann ist echte Empathie nicht möglich.
Meine allerliebste Empathie-Frage
Wenn ich das nachmachen müsste, was müsste ich denken, fühlen und wie würde ich mich verhalten?
Mit dieser Frage ermutige ich mein Gegenüber, mir genau zu erklären, was bei ihm* oder ihr* wirklich abgeht. Da ich ja gerne in die Extreme gehe, spiele ich diese Frage mit einer mir sehr fremden Figur durch: einer Taliban Kämpferin.
Wenn ich also eine Taliban Kämpferin wäre, welche Gedanken hätte ich? Durch was wären meine Gedanken geprägt worden? Was würde ich fühlen? Durch was wären meine Gefühle geprägt worden / was hat es ausgemacht, dass ich heute so fühle? Basierend auf meinen Gedanken und Gefühlen, wie würde ich logischerweise handeln?
Übrigens: wir handeln aus dem eigenen Blickwinkel immer logisch. Wir haben gute Gründe, warum wir genau so handeln, wie wir handeln. Es mag sein, dass wir es selbst kognitiv nicht verstehen und genau hier kommt wieder die Selbstkenntnis ins Spiel. Denn 95% unserer Handlungsmotive liegen in unserem Unterbewusstsein und steuern uns von da aus.
Und weisst du was, wenn ich mich komplett in die Kampfstiefel der Taliban Kämpferin versetze, dann kann ich ihre Handlung plötzlich verstehen. Bevor du jetzt entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlägst, ich habe nicht gesagt, dass ich die Handlung GUTHEISSE. Das ist etwas ganz anderes. Jemanden zu verstehen heisst noch lange nicht, dass wir der selben Ansicht sind. Es bedeutet nur, dass wir nachvollziehen können, warum die Person so handelt, wie sie handelt. Weil wir ihre Welt ein Stückchen begriffen haben. Das ist die Basis eines guten Miteinanders. Und die Basis für Weltfrieden.
Empathie ist eine Charaktereigenschaft, die die Welt verändern kann. Denn Frieden beginnt dort, wo wir lernen, in den Schuhen eines anderen zu stehen und die Welt durch seine Augen zu betrachten.
- Barack Obama
Werde empathisch in 3 Schritten
Du verstehst deine*n Partner*in, deine*n Chef*in, den amerikanischen Präsidenten oder sonst jemandem beim besten Willen nicht? Ändere dies mit diesen drei Schritten:
Wähle eine Person, die etwas Negatives in dir auslöst und du echt (noch) nicht verstehen kannst
Schreibe dir auf, was die Person zu der Person gemacht hat, die sie heute ist. Welche Gedanken und Gefühle haben ihr logische Verhalten geprägt.
Schreibe dir auf, warum die Person aus ihrer Sicht Recht hat.
Wenn du das richtig gut hinkriegst, dann hast du einen erheblichen Teil zum Weltfrieden beigetragen!
Tu der Welt einen Gefallen und bringe diese Fähigkeit möglichst vielen Leuten bei. So dass wir alle lernen in den Schuhen der anderen zu stehen. Egal, ob das 12cm High Heels oder flache Kampfstiefel sind. Empathie öffnen Türen.
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PS: Du willst noch weitergehen? Gib in deiner Suchmaschine (Ich empfehle Ecosia ;-)) „Empathy Map“ ein. Die Empathy Map ist ein Tool, das ursprünglich im Marketing und UX Design verwendet wurde, um die ideale Zielperson zu beschreiben.
Ich wende Empathy Map erfolgreich im Leadership Coaching an, damit meine Kund*innen lernen, ihre Mitarbeitenden und Anspruchsgruppen besser zu verstehen.
PSS: Lies dazu auch meinen Artikel über das afrikanische Sawubona: Ich sehe dich. Die Kunst, jemanden wirklich wahrzunehmen